In den Annalen des Bergsteigens berühren nur wenige Geschichten die Seele so sehr wie die von Beck Weathers, einem Pathologen aus Dallas, dessen Begegnung mit dem Tod am Mount Everest 1996 ihn vom Abenteurer in einen Helden der Widerstandskraft verwandelte. Die Tragödie, die sich auf dem höchsten Gipfel der Welt ereignete – einer der tödlichsten in der Geschichte des Bergsteigens – hinterließ bei den Überlebenden und in der Welt, die er beobachtete, unauslöschliche Spuren. Weathers’ Reise vom Rande des Vergessens zu einem Leben mit neuen Zielen ist ein Beweis für den unfehlbaren Willen des menschlichen Geistes, durchzuhalten.

Im Mai 1996 schloss sich Beck Weathers der Expedition von Adventure Consultants unter der Leitung des erfahrenen Bergführers Rob Hall an. Zusammen mit Bergsteigern wie Doug Hansen, Andy Harris, Mike Groom und dem Journalisten Jon Krakauer hatte Weathers die Bezwingung des Mount Everest im Visier. Zur gleichen Zeit verfolgte ein anderes Team, Mountain Madness, unter der Leitung von Scott Fischer dasselbe Ziel. Die beiden ehrgeizigen Gruppen verband ein gemeinsamer Traum: auf dem Dach der Welt zu stehen.

Doch für Weathers nahm der Aufstieg eine gefährliche Wendung, bevor er den Gipfel erreichen konnte. Achtzehn Monate zuvor hatte er sich einer radialen Keratotomie am Auge unterzogen, einem Eingriff, der seine Sehkraft in großen Höhen beeinträchtigte. In der Nähe des Südsattels, als die Luft dünner wurde und die Abhänge höher wurden, schwankte seine Sicht. Ein Eiskristall zerkratzte seine rechte Hornhaut, raubte ihm die Tiefenwahrnehmung und machte ihn im Dämmerlicht fast blind. Weathers wurde geraten zu warten, während seine Teamkollegen weitergingen, und blieb allein zurück, als sich am Horizont ein tödlicher Sturm zusammenbraute.
Als sich die Wetterbedingungen verschlechterten, wurde der Berg gefährlich. Ein heftiger Schneesturm trieb die Bergsteiger in die Todeszone, wo Sauerstoff knapp ist und das Überleben auf dem Spiel steht. Rob Hall, Doug Hansen, Scott Fischer und andere saßen im Chaos fest und konnten nicht mehr absteigen. Acht Bergsteiger kamen bei der Katastrophe ums Leben; ihre Namen sind in die düstere Geschichte des Everest eingegangen.
Weathers, gestrandet und im Kampf gegen die Elemente, fiel in ein unterkühltes Koma. Seine Mitbergsteiger sahen keine Lebenszeichen und trafen die herzzerreißende Entscheidung, ihn zurückzulassen, da sie glaubten, er sei nicht mehr zu retten. Sein gefrorener Körper, die Haut von der Kälte geschwärzt, lag regungslos auf dem Berg, ein Mann, der für tot gehalten wurde, verlassen von der eisigen Umarmung des Everest.
Doch allen Widrigkeiten zum Trotz trotzte Beck Weathers dem Tod. In einem unerklärlichen Moment erwachte er aus dem Koma. Sein Lebenswille brannte stärker als der Sturm, der ihn beinahe dahingerafft hätte. Orientierungslos und zerschlagen taumelte er zum Lager, eine geisterhafte Gestalt tauchte aus dem Schnee auf. Sein Überleben schockierte alle, die ihn sahen – ein Mann, der wie der Tod selbst wirkte und unter den Lebenden wandelte.
Der Preis für sein Überleben war hoch. Schwere Erfrierungen raubten ihm den rechten Arm unterhalb des Ellenbogens und alle Finger seiner linken Hand. Sein rechtes Auge, bereits durch Eiskristalle geschädigt, war dauerhaft getrübt. Doch Weathers überlebte – ein Wunder an einem Ort, wo Wunder selten sind.
Den Berg zu verlassen war keine leichte Aufgabe. Stuart Hutchison, John Taske und drei Sherpas organisierten eine waghalsige Rettungsaktion und brachten den kaum bewusstlosen Bergsteiger zum Basislager. In einem außergewöhnlichen Akt des Mutes brachte ihn eine Hubschrauberevakuierung – einer der größten Rettungsversuche aller Zeiten – in Sicherheit. Weathers’ Heimreise hatte begonnen, doch der Weg zur Genesung stellte seine Ausdauer auf eine Weise auf die Probe, wie es der Berg niemals vermochte.

Zurück in den Vereinigten Staaten fesselte Weathers’ Geschichte die Welt. Newsweek berichtete über seine Tortur, und seine Memoiren „ Left for Dead: My Journey Home from Everest“ enthüllten die nackte Wahrheit seiner Erfahrung. Mehr als eine Überlebensgeschichte war es ein Fenster zu seiner Wandlung. Der Aufstieg war für ihn eine Flucht vor der emotionalen Last des Lebens gewesen, doch der Everest veränderte ihn. Er kehrte als anderer Mensch zurück, mit einer tieferen Bindung zu seiner Frau Peach und ihren beiden Kindern. Der Berg hatte ihm viel abverlangt, aber er gab ihm Klarheit, ein neues Gefühl für das, was wirklich zählt: Liebe, Verbundenheit und ein Leben mit Sinn.
Weathers wurde zu einem gefragten Redner und bereiste die Welt, um seine Geschichte zu erzählen. Seine Botschaft übertraf die Hänge des Mount Everest und fand bei jedem Anklang, der selbst einmal seine eigene Feuerprobe bestanden hatte. „Materielles verblasst angesichts von Liebe und Sinn“, sagte er dem Publikum. Seine Worte trugen die Last eines Mannes, der in den Abgrund geblickt hatte und zurückgekehrt war.
Die Katastrophe von 1996 löste in der Bergsteigerwelt eine Abrechnung aus. Jon Krakauers „ Up in the Air“ und der Film „Everest“ machten Weathers‘ Geschichte und die Tragödie weltweit bekannt und entfachten Debatten über die Kommerzialisierung des Everest, die Ethik des Bergsteigens und die Gefahren der Verwendung von Flaschensauerstoff in der Todeszone. Der Berg, einst Symbol menschlichen Triumphs, offenbarte seine Schattenseiten: ein Ort, an dem Ehrgeiz in eine Katastrophe münden kann.
Beck Weathers’ Geschichte ist mehr als nur eine Überlebensgeschichte; sie ist eine tiefgründige Meditation über Widerstandsfähigkeit, Erlösung und die Werte, die uns in den heftigsten Stürmen des Lebens Halt geben. Zweimal für tot erklärt, kehrte er zurück, um nicht nur vom Mount Everest zu erzählen, sondern auch von der unerschütterlichen Kraft des menschlichen Herzens, wieder aufzuerstehen.